jakfar, arash


Tanz!
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In diesem Essay schreibe ich über die Möglichkeit des Tanzes als individuelles Ausdrucksmittel und als gesellschaftliches Aufeinandertreffen. Wir werden den Tanz aus dem Angebotsspektrum heraus verstehen lernen. Anschließend stoßen wir an eine Art der Herangehensweise des Tanzes, die uns erlauben wird unsere eigene körperlichen Zwänge und Vorlieben bezüglich des Tanzes besser kennen zu lernen. In Gruppen tauchen - mit dieser Variante des Tanzes - Momente des Abstimmens und des Abstoßens auf die Beteiligten auf - was genau das bedeutet, erkläre ich im Laufe des Textes. Im Übrigen gehe ich nicht auf die Musik ein.

Wie berührt uns der Tanz in unserer Zeit? Wie kommt es, dass jeder den Begriff des Tanzes irgendwie ausfüllen kann, obwohl doch private Feierlichkeiten und andere kulturelle Treffen stets aus der Perspektive des Tanzes sehr ärmlich aussehen? Sicherlich entstehen viele der Berührungspunkte in den mannigfaltigen Kursen, die man in vielen Jugendzentren oder jeder Tanzschule für einige Euros besuchen kann. Diese Kurse werden als Produkte verkauft und stellen den Kunden wenige Schritte zur Verfügung mit dem Glauben, dass diese einigermaßen erlernten Schritte ein Teil eines Ganzen - auf die Sie zunächst keinen selbstständig Zugriff haben, wären. In den Paartänzen ist jeder Schritt mit kleinen Variationen festgelegt und lässt sich beliebig kombinieren, während in freieren Tänzen Choreographien gelehrt werden, damit der Kunde einen Einblick in den Stil und in die Bewegungsmöglichkeiten des Tanzes bekommt.

Unter einem freien Tanz verstehe ich die Art von Tanz, der dem Tänzer nur wenige Einschränkungen, wie es z.B. im HipHop üblich ist, gibt - während choreographischer Tanz 2. Art für mich bedeutet, dass nur wenige Kombinationsmöglichkeiten nach dem vollbrachten Schritt erlaubt sind, wie es etwa beim Walzer gängig ist. Tänzerische Entfaltung kann, abgesehen von den Interpretationsvarianten, den Emotionen bei der Entstehung und den Zwecken des Tanzes, nur zwischen diesen beiden Möglichkeiten gelingen. Es ist also ein kreatives Spiel des Körpers zwischen der Freiheit, die man in einem bestimmten Tanz bekommt, und den festgelegten Formen, über die man im Tanz nicht entscheidet. Es ist erstaunlich, wie sich während des Tanzes diese Dinge umzukehren scheinen - wie viel müssen Sie in ihrer Bewegung beachten, wenn sie sehr wenig vorher festlegen und wie wenig sie entscheiden müssen, wenn sie Vieles vorher bereits entschieden haben. Worin liegt die Freiheit der Vorbestimmung im Tanz? Sie zeigt sich im Ausdruck und Präsenz; Ein Tänzer, der nicht über die Reihenfolge oder die Art seiner Schritte nachdenken muss, wird in dieselbe Bewegung Dinge anderer Art einfügen können. Unsere Auffassungsgabe die Komplexität des Tanzes mit unseren Vorstellungen, Emotionen, Leidenschaften, unserer Geschichte und Alltag, usw. zu verbinden, legt demnach die Grenzen fest, innerhalb derer wir uns tanzend bewegen können. Wann und warum ein Tanz beliebt wird oder dem Tänzer selbst gefällt, hängt von wesentlich anderen Faktoren ab, wenn auch die oben beschriebene Komplexität des Tanzes unverrückbar bleibt.

Unsere Auffassungsgabe bestimmt den Tanz durch Vorbestimmung und Freiheit - im Tanz wandeln sich diese Momente um in Bewegung und Entscheidung; Was wir vorbestimmen wird zu Bewegung - was wir freilassen, darüber müssen wir entscheiden.

Kommen wir noch mal zurück zu den Produkten, die uns in Jugendzentren und Tanzschulen angeboten werden. Was sind das für Produkte? Wie kommt es, dass wir die Tänze wiedererkennen können, wenn nach dem Tanz von ihr doch nichts auf der Bühne oder an dem Tänzer übrig bleibt - der Tanz ist stets flüchtig. Wir bemerken ihn nur an einem Körper, der ihn ausführt. Die Vorbestimmungen und die Freiheiten sind die Invarianten eines jeden Tanzes. Sie haben die Möglichkeit gleich zu bleiben und damit können sie sich in unserem Gedächtnis, zum Aufrufen bereit, speichern. Wir erkennen demnach an einem Tanz worüber er uns entscheiden lässt und was automatisch folgt. Was wir erkennen, ist das Produkt aus den Tanzkursen. Ist der Tanz in Freiheit - ohne Vorbestimmung - möglich? Wir haben bisher über die Tänze aus den Kursangeboten gesprochen; Die Frage impliziert zunächst die Annahme, dass es Tänze gäbe, die unabhängig von den Kursen erlernt werden könnten. Dass es sie geben muss, ist intuitiv verständlich, weil auch die Tänze aus den Kursen irgendwoher stammen müssen. Da die Annahme geklärt ist, stellt sich nun die Frage, ob wir ohne Vorbestimmungen dem Tanz verfallen könnten, denn das wäre der Augenblick, indem wir selbstständig anfingen zu tanzen. Grundsätzlich bewegen wir uns in jeder Art des Tanzes - institutionell, rituell, freudig, feiernd, usw., innerhalb von Momenten der Entscheidungen und der automatischen Bewegungen; oft spricht man vom Ausdruck eines Gefühls, einer Emotion und der Gleichen. Wir bewegen uns in einem Fluss und entscheiden gelegentlich, was kommen soll oder was man herausholen möchte - so stellt man sich vielleicht den Tanz vor. Aus dieser Perspektive ist jeder Tanz während des Flusses eingegrenzt und kann sich nicht befreien - das möchte man auch nicht. Man genießt den Trab des Körpers und lehnt sich zurück. Um auf die Frage zurück zu kommen - bildhaft aus meinem letzten Essay: Was holen wir aus dem Dunkeln, um eine Antwort zu finden - ohne gleich am Ausgangspunkt zu bleiben? Die Vorbestimmungen in bewusste und unbewusste Festlegungen zu trennen, ermöglicht uns alles Bewusste zu variieren und dadurch unseren individuellen Tanz - ausdrucksstark tanzend - zu finden. Nur Mut - auch in den Kursen lernen wir möglicherweise den individuellen Tanz des Gründers, den er einfach nicht ablegen konnte, weil er davon besessen war und seine unbewussten Zwänge in seinen Bewegungen nicht kannte.

Was wir für uns alleine in einem Raum machen können, ist auch in einer Gruppe möglich. Hier werden zwei Arten des Treffens möglich: Die Entsprechung und der Stoß. Im gleichzeitigen Tanz kann uns das Tanzelement des Gegenübers gefallen oder eben nicht. Je nach Situation werden wir uns dem fremden Tanz irgendwie entsprechen - weil er gefällt - etwa durch nachahmen oder passendes ausdenken, oder ihn abstoßen wollen - weil er nicht gefällt - etwa durch ablenken oder ignorieren. Je nach dem wie viel jeder einzelne an seinem Tanz etwas ändern kann und möchte, wird sich im Gruppentanz ebenfalls ein kreativer Umgang entwickeln, bei der die Beteiligten sich gegenseitig mit ihren Vorlieben und Problemen besser kennen lernen können. Ich empfehle daher unserer heutigen Zeit den Tanz wesentlich zu privatisieren; bei Feierlichkeiten mit wenig Alkohol in den Tanz zu versinken und den Rausch im Tanz zu finden.

arash, June 2014

Literatur:













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